3 Minuten Lesezeit
Sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe im Krieg gegen Tigray/Äthopien

Triggerwarnung: Brutale sexualisierte Gewalt, Vergewaltigungen, Psychische und Physische Gewalt, Sklaverei, Ungewollter Drogenkonsum, Inzest


Hintergrund Seit dem 4, November 2020 findet im Norden Äthiopiens, in Tigray, ein Krieg der äthiopischen Zentralregierung unter Abiy Ahmed Ali gegen die Bevölkerung und gegen die Regionalregierung TPLF (Tigray Peoples Liberation Front) statt. Neben der regulären äthiopischen Armee sind Verbände amharischer Nationalisten und eritreische Soldaten beteiligt. Hintergrund ist ein Machtkampf Abiy Ahmed Alis gegen die TPLF, die bis 2018 die äthiopische Politik dominierte. Verbündet hat er sich dazu mit dem eritreischen Diktator Isaias Afewerki, der historisch Rechnungen mit Tigray offen hat.Vorbereitet wird der Krieg anscheinend schon seit zwei Jahren. Der sogenannte Friedensvertrag zwischen Äthiopien und Eritrea ist aus dem Licht heutiger Erkenntnisse eher als Kriegsvorbereitung im Bündnis mit Eritrea gegen Tigray und die TPLF zu sehen.


Seit nunmehr über einem halben Jahr führt der Premierminister Äthiopiens Abiy Ahmed Ali im Verbund mit dem eritreischen Diktator Isaias Afewerki einen erbarmungslosen Krieg gegen Teile seines eigenen Volkes. War die Region Tigray zu Beginn der Auseinandersetzung noch komplett abgeschottet durch die äthiopische Regierung, dringen nun zunehmend Berichte über die Situation an das Licht der Öffentlichkeit.Eine der Überlebenden erzählte Channel 4 News, dass sie und fünf weitere Frauen von 30 eritreischen Soldaten vergewaltigt wurden, die während des Angriffs scherzten und Fotos machten. Sie sagte, dass sie eritreische Truppen seien, welche sie durch den Dialekt und Uniformen erkannt hätte. Sie erzählte weiter, dass sie nach Hause zurückkehren durfte, nur um wieder vergewaltigt zu werden. Als sie fliehen wollte, erinnerte sie sich daran, gefangen genommen, mit einer Droge injiziert, an einen Felsen gefesselt, ausgezogen, und 10 Tage lang von Soldaten vergewaltigt worden zu sein ( Practically this has been a genocide' Doctors say rape is being used as a weapon of war in Ethiopia | CNN). Immer wieder stoßen Journalist*innen und NGO Mitarbeiter*innen auf derartige Aussagen. Oft sind es Zeugnisse von Frauen, die es geschafft haben, in den benachbarten Sudan zu flüchten. Die äthiopische Regierung schränkt das Reisen von unabhängigen Journalisten*innen in das Gebiet von Tigray immer noch ein. Offensichtlich soll verhindert werden, dass das ganze Ausmaß der Gewalt und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit öffentlich wirdDie Informationen, die nun scheibchenweise bekannt werden, sind allerdings eindeutig genug. Es sind keine brutalen Einzelfälle, von denen hier die Rede ist. Es sind auch nicht nur eritreische Soldaten. Sexuelle Gewalt gegen Frauen wird von eritreischen Soldaten, regulärer äthiopischer Armee und amharischen Milizen systematisch als Kriegswaffe eingesetzt. In den wenigen Krankenhäusern der Region, die nicht von Soldaten zerstört und geplündert wurden, findet man kaum eine Frau, ein Mädchen aus Tigray, die nicht davon betroffen sind. Dabei wird Vergewaltigung als Mittel der ethnischen Säuberung gesehen. "Nun ist dein Tigrayblut amharisch gereinigt“ ist etwa die Aussage von amharischen Milizionären gegenübe dem Opfer nach einer Vergewaltigung. Auch Bestrafung für angebliche Sympathie oder Unterstützung für die TPLF muss als Begründung für die sexuelle Gewalt herhalten.Dr. Tedros Tefera berichtet über vergewaltigte Frauen denen gesagt wurde, dass sie ihre Identität ändern sollen, „entweder um sie zu amharisieren oder zumindest ihren Tigrinya- Status zu verlassen ... und dass [die Täter] gekommen seien, um ihre Blutlinie zu reinigen“( Practically this has been a genocide' Doctors say rape is being used as a weapon of war in Ethiopia | CNN). Es ist davon auszugehen, dass es viele Frauen nicht bis in ein Krankenhaus oder in eines der Flüchtlingslager im Sudan schaffen. Häufig werden sie nach Tagen der sexuellen Sklaverei getötet und für die Hyänen zum Fraß liegengelassen ( Rape is being used as weapon of war in Ethiopia, say witnesses | Global development | The Guardian). Zudem wurden Frauen oft nach tagelanger Massenvergewaltigung auf unmenschlichste Weise gefoltert. Es werden Gliedmaßen abgehackt oder die Vagina wird mit Steinen, Nägeln und Plastik gefüllt ( Ethiopia's conflict in Tigray: Women describe how rape is used as a weapon | World News | Sky News). Oft finden die Akte sexueller Gewalt in aller Öffentlichkeit statt, oder es werden Familienangehörige gezwungen dabei zuzusehen. Es gibt Berichte, dass unter Todesdrohungen männliche Familienangehörige gezwungen wurden, ihre eigenen Mütter, Töchter oder Enkelinnen zu vergewaltigen oder eben erschossen wurden, weil sie sich weigerten (UN Special Rep. of the Secretary-General on Sexual Violence in Conflict, Ms. Pramila Patten January 2021).

Systematischer Einsatz sexueller Gewalt in bewaffneten Konflikten ist kein neues Phänomen. Es ist ein seit Jahrtausenden praktiziertes Mittel der Machtdemonstration auf allen Kontinenten dieser Erde. Allerdings erreicht die Zahl an Vergewaltigungen in Tigray und die brutale Gewalt, die dabei ausgeübt wird, ein erschreckendes Ausmaß. Deutlich wird dies, obwohl viele Frauen aus Scham nicht bereit sind, über ihr Schicksal zu reden und Zeugen oftmals Repressionen seitens der äthiopischen Regierung ausgesetzt sind.


Reaktion der äthiopischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft.

Die Reaktion der äthiopischen Regierung ist abwiegelnd („es sind nur Einzelfälle, die wir verfolgen“) oder leugnend („alles nur TPLF-Propaganda“). Von Seiten dieser Regierung ist keine Aufklärung oder Verfolgung der Verbrechen zu erwarten. Sie ist als Partei, selbst in die Kriegsverbrechen verstrickt und einzig am Machterhalt interessiert. Im Gegenteil: ein Ende der Kriegsverbrechen ist nicht abzusehen, und im Machtkampf mit der TPLF ist weiterhin jedes Mittel recht, ob dies sexuelle Gewalt, außergerichtliche Tötungen oder der Einsatz von Hunger als Kriegswaffe ist. International wird die äthiopische Regierung zwar aufgefordert, amharische Milizen und eritreische Soldaten abzuziehen, humanitäre Hilfe nach Tigray zu lassen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufzuklären und zu verfolgen, allerdings fehlt der wirtschaftliche und diplomatische Druck. Die amerikanische Regierung scheint noch auf Abiy Ahmed Ali als künftigen Partner am Horn von Afrika zu setzen. Das ermöglicht Abiy Ahmed Ali, sich gegenüber den Forderungen taub zu stellen und weiterzumachen wie bisher.Anders als das seit 30 Jahren abgeschottete Eritrea ist Äthiopien wirtschaftlich mit dem Ausland vielfältig verflochten und von Investitionen, Handelsbeziehungen und internationalen Hilfsprogrammen abhängig.Es ist Zeit, dass Regierungen in aller Welt den wirtschaftlichen und diplomatischen Druck auf Abiy Ahmed Ali deutlich erhöhen, um den Kriegsverbrechen in Tigray und dem Leid der Zivilbevölkerung ein Ende zu bereiten. Jeder öffentliche Druck- auch auf unsere Regierung in Deutschland- kann dazu beitragen, die Regierung zum Handeln zu bewegen.

Autor: Shewa K., Tigrayunity

Kommentare
* Die E-Mail-Adresse wird nicht auf der Website veröffentlicht.