Einstiegsrede von dem FrühjahrsRuf Team:
Kleidung ist kein Motiv sexueller Gewalt, genauso wenig wie die Einnahme von Rauschmitteln, Flirten, Liebe, Nachts alleine nach Hause zu laufen oder jeglicher anderer Bullshit. Das Motiv ist meistens nie Sexualität, Erotik oder Lust. Das Motiv sexualisierter Gewalt ist in den meisten Fällen Macht. In unserer Gesellschaft existieren verschiedene zugeschriebene Kategorisierungen, auf Grund derer es zu Privilegien oder Diskriminierung & Benachteiligung kommen kann. Diskriminierung kann zum Beispiel stattfinden auf Grund: von Rassismus, der sozialen Schicht oder des Geschlechts. Aber auch die Betrachtung der Wechselwirkung und des Zusammenspiels dieser Zuschreibungen ist wichtig. All das kann als Werkzeug verwendet werden, um Macht und Kontrolle über eine andere Person aufrecht zu erhalten. Wir leben in einer Gesellschaft, in welcher ständig Personengruppen systematisch unterdrückt werden und diese gegenüber der systematischen Unterdrückungen machtlos sind. Frauen werden systematisch aufgrund ihres Geschlechts unterdrückt. Black and Indigenous and People of Color aufgrund ihrer Hautfarbe. Menschen mit Behinderungen aufgrund ihrer Beeinträchtigungen jeglicher Art. Kinder werden weniger in ihrer Selbstbestimmung ernst genommen, weil sie ja noch keine ausgereiften Menschen sind. Systematische Unterdrückungen aufgrund von Rassismus, Ableismus und Sexismus und so viele weiteren Ismen gibt nicht nur der alltäglichen Diskriminierungen, die diese stigmatisierten Personen erfahren, sondern gibt auch Gewalt und sexualisierter Gewalt einen Raum für Beständigkeit. An den Orten, wo Platz für Diskriminierungen oder Mehrfachdiskriminierungen ist, ist auch Platz für gewalttätige Machtgefälle. Es ist wichtig über die Gewalterfahrungen und über die alltägliche Voreingenommenheit und den institutionalisierten geschlechtsspezifischen, aber auch geschlechtsunspezifischen Diskriminierungsformen, den stigmatisierten Personengruppen erfahren, aufmerksam zu machen. Diese Machtgefälle welche nicht nur zu Gewalttaten führen kann und diese Machtausübung auch während der Gewalttat spürbar ist, hört dabei jedoch nicht auf. Warum meint ihr, zeigen so wenig betroffene Personen ihre Gewalttat nicht an? Auf jeden Fall zum einen, weil es super schwer für die betroffenen Personen ist und sein kann, sich mit diesem Thema so auseinandersetzen zu müssen. Ich habe auch eine Hochachtung vor denjenigen Personen, welche dafür die Kraft haben. Ich hatte sie nicht. Zum anderen, weil viele der betroffenen Personen nicht wissen, ab wann grenzverletzendes Verhalten beginnt und/oder ob sie das Recht dazu haben „Nein“ zu sagen und es nicht rechtens ist, wenn man dieses „Nein“ übergeht. Viele zeigen nicht an, weil die Personen nicht wissen wie. Viele zeigen nicht an, weil auch nach der Tat, nicht nur die Tat an sich, wie eine Macht über einen hat. Auch noch nach der Straftat folgt die systematische Unterdrückung. Betroffenen Personen wird kein Glauben geschenkt, sie müssen sich rechtfertigen. Sie werden sogar beschuldigt, an der eigenen erlebten sexuellen Gewalterfahrung Schuld zu haben. Unser System spielt abgesehen davon eine große Rolle, dass viele sich auch nicht trauen zu der Polizei zu gehen, um eine Aussage zu machen. Da schlicht gesagt die Polizei nicht für alle als sogenannt Freund und Helfer beschrieben werden kann, sondern eher ganz gegenteilig. Oder dass eine erlebte Gewalterfahrung bei Menschen, welche alltägliche und systematische Diskriminierungen erleben, die Straftat weniger schlimm ist, da die stigmatisierte Person sich ja mit Diskriminierungen schon auskennt, es daher abkann und der Person eine Stärke zugeschrieben wird, aber keine „Schwäche“ erlaubt wird. Nebenbei ist es alles andere als eine Schwäche, wenn man sich nach einer sexuellen Straftat Hilfe jeglicher Art sucht und in Anspruch nimmt. Und egal wie lange man diese Hilfe in Anspruch nimmt. Menschen, die Erfahrungen zu einer sexuellen Grenzverletzung durchleiden mussten, leiden meist im Stillen und haben Angst davor sich Hilfe zu holen, da sie noch nicht bereit sind darüber zu reden. Du hast das Recht dir Hilfe zu holen und dafür zu sorgen, dass es dir besser gehen wird. Du bist mit deinen Erfahrungen nicht alleine und es ist wirklich nicht deine Schuld. Denn du hast alles gemacht, um dich in dem Moment zu schützen, was du zu dem Zeitpunkt konntest. Wir glauben dir. Es ist in Ordnung, dass es (immer noch) weh tut, nimm dir die Zeit die du brauchst. Und wenn du soweit sein solltest, denk darüber nach, ob es dir helfen würde darüber zu reden und sich gegebenenfalls Hilfe zu holen. Wir sind stolz auf dich, dass du hier bist und zweifeln nicht an deiner Stärke. Du hast das gemacht was du konntest und das ist in Ordnung. Du bist nicht allein. Manchmal braucht der Körper und die Seele noch etwas Zeit, um sich darauf einzustellen, dass die Gefahr vorüber ist. Sexualisrte Gewalt, ganz gleich, ob durch eine fremde Person oder durch eine vertraute Person kann einen Schock auslösen. Dieser Schock kann Stunden bis zu Tage, Wochen, Monate oder Jahre einen Einfluss auf deinen Alltag haben und das Gefühl vermitteln, dass man aus seinem eigenen Leben sich wie rausgeworfen fühlt. Aber niemand ist damit allein. Wir stehen hier zusammen. Und zusammen sind wir stärker. Wie eben kurz angeschnitten, gibt es verschiedene Formen von sexualisierter Gewalt, sowie von den verschiedenen Formen von Machtverhältnissen und Diskriminierungsarten. Uns ist bewusst, dass Menschen mit unterschiedlich zugeschriebenen sozialen Kategorisierungen (gerade im Hinblick auf die Wechselwirkung und das Zusammenspiel dieser miteinander) einen unterschiedlichen Zugang zu Ressourcen und dem Hilfe System haben. Deswegen ist uns eine intersektionale Betrachtungsweise von sexualisierter Gewalt wichtig. Bis jetzt sind wir ein junges neu gegründetes kollektiv und erhoffen uns im Verlauf unserer Arbeit diesem Anspruch gerecht werden zu können. Wir schaffen es bei der heutigen Kundgebung leider nicht, auf alles einzugehen und diesen Anspruch gerecht zu werden. Wir können heute nur ein kleinen Beitrag und einen ersten Überblick einer Präventions- und Aufklärungsarbeit leisten. Genau deswegen freuen wir uns über so viel Zusammenarbeit mit vielen Vereinen und Organisationen mit ganz verschiedenen Schwerpunkten wie möglich. Heute können wir schon die ersten Hilfsorganisationen vorstellen und sind gespannt auf die wundervollen Redebeiträge.
In den folgenden Anhängen sind alle Redebeiträge verschriftlicht aufzufinden.
Danke, an alle Teilnehmer*innen und Redner*innen.
Als wir Frühjahrsruf gegründet haben und angefangen haben diese Kundgebung zu planen, haben wir uns nie erträumen lassen, dass sie so ein Erfolg wird. Wir hätten nie gedacht, dass so viele tolle Organisationen uns unterstützen würden. Das einzige was wir wussten ist, dass wir etwas machen wollen. Wir wollten die Stille nicht mehr akzeptieren. Sondern ein Zeichen setzen für die die darunter leiden und für die die jeden Tag mit Betroffenen arbeiten und für uns. Ein Zeichen setzen gegen sexualisierte Gewalt und gegen sexuelle Belästigung, für sexuelle Selbstbestimmung und Empowerment. Deshalb stehen wir heute hier für eine Aufklärung die für alle zugänglich ist und eine Bildung die Empowerment und Selfcare vermittelt, die Intersektionalität und sexuelle Selbstbestimmung lehrt und die sexualisierte Themen enttabuisiert. Wir hätten uns gewünscht in der Schule mehr über Orgasmen und ihre Bedeutung gelernt zu haben, über Gender und Sex, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt und über alle Arten von Sexualität. Wir hätten gerne mehr gelernt über verschiedene sexuelle Vorlieben und das Sex so viel mehr als reine Penetration sein kann. Das eine Person mit Vulva nicht nur da ist um zu gebären. Sex geht nicht nur um Fortpflanzung, sondern auch um Pleasur. Und es nicht nur eine Art der Familie gibt. Das Menstruation nichts ekliges ist und man sie nicht verstecken muss. Und das nicht nur Frauen menstruieren und nicht alle die menstruieren Frauen sind. Wir wollen uns aber auch im speziellen über die Definition von sexualisierter Gewalt informieren und diese kritisch hinterfragen. Wir wollen eine Aufklärung bezüglich der verschiedenen Gewaltformen, Machtstrukturen und Konsens. Wir wollen darüber informieren, dass sexualiserte Gewalt bewusst als Machtinstrument genutzt wird. Wir wollen sexuelle Selbstbestimmung, die eigenen Rechte, Empowerment und deren Relevanz stärken. Wir wollen dazu animieren die Grenzen anderer zu respektieren und die eigenen Grenzen zu setzen. Wir wollen eine intervenierende, aufklärende und präventive Arbeit zu dem Thema sexualiserte Gewalt vermitteln. Dafür stehen wir heute hier. Für sexuelle Selbstbestimmtheit, für Konsent, für das Recht auf das freie Ausleben der eigenen Sexualität und um sexualierte Gewalt als Thematik zu enttabuisieren.Wir haben uns zur Aufgabe gesetzt Vermittlungsarbeit und Aufklärungsarbeit zu betreiben. Wir möchten das Thema Sexualität und sexualisierte Belästigung und Gewalt enttabuisieren, thematisieren und ein gesellschaftliches Bewusstsein schaffen. Wir wollen aufdecken, wo es Defizite gibt und wo Unterstützung für Hilfsorganisationen fehlt und möchten gemeinsam daran arbeiten, dies zu ändern und uns zusammen mit anderen Organisationen für einen einfacheren Zugang zu Hilfssystemen einsetzten.Betroffenenen sollten keine Barrikaden in den Weg legen. Es ist wichtig, dass jede*r Hilfe bekommt, wenn sie*er sie braucht und möchte. Uns ist es auch sehr wichtig, dass diese Informationsvermittlung so barrierearm wie möglich umgesetzt werden soll.Wir danken allen Organisationen, die diesen Kampf schon führen, Präventionsarbeit leisten und die sich für Betroffene einsetzten. Vor allem auch denen die heute da waren und uns mit ihren Ständen und Redebeiträgen unserem Ziel ein Stück näher gebracht haben. Aber der Weg und unsere Arbeit hat gerade erst begonnen.So möchten wir uns auch in Zukunft mehr vernetzten, zwischen Organisationen vermitteln und von ihnen lernen. In unserer Gesellschaft wird immer noch zu viel Platz für Diskriminierung, Sexismus, Stigmatisierungen bis hin zu Gewaltverherrlichungen geboten.
Aber wir sagen Nein. Nein zu Sexismus. Nein zu Diskriminierung. Nein zu Stigmatisierung. Nein zu Gewaltverherrlichung. Nein zu Catcalling. Nein zu Körpernormen. Nein zu sexueller Belästigung! Nein zu sexualisierter Gewalt! Und Nein heißt Nein!